Hangeul: Koreanisches Alphabet
Das koreanische Alphabet ist eines der interessantesten Schriftsysteme der Welt und absolut einzigartig. Seine Besonderheit liegt vor allem in seiner Entstehungsgeschichte: Es entwickelte sich nicht wie beispielsweise die chinesischen Schriftzeichen über Jahrtausende, sondern wurde in einem gezielten, relativ kurzen Prozess unter wissenschaftlich-phonetischen Gesichtspunkten geschaffen.
Die Erfindung von Hangeul wird König Sejong zugeschrieben, der von 1418 bis 1450 das zur damaligen Zeit Joseon genannte Reich regierte. Wie kaum ein anderer koreanischer Herrscher interessierte sich König Sejong für die Wissenschaften. Unter den zahlreichen Errungenschaften, die unter seiner Ägide erfunden und entwickelt wurden, ragt das neue Schriftsystem Hangeul deutlich heraus. Sejong hatte sich zum Ziel gesetzt, eine Schrift zu konstruieren, mit der die koreanische Sprache adäquat geschrieben werden konnte. Bislang war klassisches Chinesisch die Schriftsprache gewesen, die ganz anders aufgebaut ist als das Koreanische und für dessen Wiedergabe chinesische Zeichen ungeeignet sind. Außerdem wollte der König die Alphabetisierungsrate seiner Bevölkerung erhöhen, denn dem überwiegenden Großteil der Menschen, die als einfache Bauern lebten, war es nicht möglich, die Vielzahl und Komplexität chinesischer Schriftzeichen zu bewältigen.
Das Ergebnis der Bemühungen König Sejongs und seiner Gelehrten, die 1443 abgeschlossen waren, wurden 1446 in einem „Hunminjeongeum“ („Die richtigen Laute zur Unterweisung des Volkes“) genannten Werk vorgestellt. Entstanden waren 28 phonetische Buchstaben, mit denen die koreanische Sprache fortan angemessen ausgedrückt werden und deren schriftliche Formulierung jedem zugänglich sein sollte. Doch bei der Yangban genannten Oberschicht stieß die neue Schrift auf Ablehnung. Seit Jahrhunderten hatten sie ihre Verwaltungsakten, literarischen und kalligrafischen Werke mithilfe von chinesischen Schriftzeichen in klassischem Chinesisch, der damaligen Schriftsprache, verfasst. Schriftlichkeit verstanden sie als stolzes Privileg und Kunst ihres Standes.
So dauerte es noch Jahrhunderte, bis sich das koreanische Alphabet allmählich durchsetzen konnte. Noch im modernen Südkorea fand man in vielen Zeitungen mehr chinesische als koreanische Schriftzeichen vor. Heute werden chinesische Zeichen nur noch selten benutzt, etwa für Abkürzungen oder Spezifizierungen, obwohl diese nach wie vor auf dem Lehrplan koreanischer Schülerinnen und Schüler weit oben stehen. Doch spätestens mit Beginn des digitalen Zeitalters hat Hangeul endgültig seinen Siegeszug angetreten. Auf das eigene Alphabet ist Korea inzwischen sehr stolz und ehrt es alljährlich am 9. Oktober (Südkorea) und 15. Januar (Nordkorea) mit einem eigenen Feiertag. Der begrenzte Zeichenschatz und logische Aufbau von Hangeul, das aus mehreren Lautzeichen nach festen Regeln zu Silbenblöcken angeordnet wird, machen es auch der steigenden Anzahl Koreanisch als Fremdsprache Lernender einfach, sich beim Lesen und Schreiben schnell zurechtzufinden.